Nur schöne Bilder sind ihm zu wenig

Annet­te Clauß | Stutt­gar­ter Zei­tung

Ach­tung, Ach­tung – die­ser Foto­graf schießt nicht nur Bil­der, son­dern greift oben­drein schon mal zum Luft­ge­wehr, um auf Toma­ten, Gur­ken oder Chi­li­scho­ten zu zie­len. Das Ergeb­nis die­ses dop­pel­ten Shoo­tings ist von Mit­te der kom­men­den Woche an in der Gale­rie Neu­er Kunst­ver­lag in Waib­lin­gen zu sehen. Dort zeigt Peter Oppen­län­der, gebür­ti­ger Waib­lin­ger und mehr­fach aus­ge­zeich­ne­ter Foto­graf, unter dem Titel „Ansichts-Sachen“ gut 40 sei­ner Arbei­ten.

Die Bil­der­se­rie „Respon­si­bi­li­ty“ zum The­ma Nach­hal­tig­keit hat Peter Oppen­län­der eigens für die­se Aus­stel­lung foto­gra­fiert. Mikro­plas­tik, Mas­sen­tier­hal­tung, die Weg­werf­men­ta­li­tät oder der Kli­ma­wan­del – sol­che mensch­ge­mach­ten Pro­ble­me beschäf­ti­gen den 51-Jäh­ri­gen, der fin­det: „Nur schön hilft nicht, man muss auch Inhal­te rüber­brin­gen.“

Sie sind auf den ers­ten Blick aber tat­säch­lich ein­fach schön, die Fotos, die auf das Weg­schmel­zen der Pol­kap­pen, auf Busch­brän­de oder frag­wür­di­ge Tier­trans­por­te auf­merk­sam machen sol­len. Das Ernst­haf­te, das erschlie­ße sich dann all jenen, die bereit sei­en, sich mit dem Bild aus­ein­an­der­zu­set­zen, erklärt Oppen­län­der.

Die Trans­por­te von Rin­dern und ande­ren Tie­ren kreuz und quer durch Euro­pa stellt Peter Oppen­län­der zum Bei­spiel mit einem Foto dar, auf dem sich kunst­voll dra­pier­te Leder­gür­tel schlan­gen­gleich win­den. „Man weiß nicht, wo das Leder her­kommt und was die Tie­re, von denen es stammt, durch­ma­chen muss­ten.“ Über das Schick­sal der Heu­schre­cken, mit denen er Hun­gers­not und Miss­ern­ten dar­ge­stellt hat, weiß der Foto­graf hin­ge­gen gut Bescheid: „Ich hab’ sie im Zoo­han­del gekauft und am Schluss wie­der zurück­ge­bracht – als Geschenk.“

Foto­gra­fie­ren, das sei viel Orga­ni­sa­ti­on für den Zeit­punkt, sagt er: „Die Vor­be­rei­tung ist das Haupt­ge­schäft, das Foto­gra­fie­ren geht dann oft recht schnell.“ Manch­mal sogar im Hoch­ge­schwin­dig­keits­tem­po, wie beim Pro­jekt „Brea­king News“, das aus High­speed­bil­dern besteht, die sicht­bar machen, wofür unser mensch­li­ches Auge zu lang­sam ist.

„Ein Kun­de aus der Indus­trie woll­te für sei­ne Anzei­gen Hin­gu­cker, die nicht sexis­tisch sind“, berich­tet Peter Oppen­län­der, wie es dazu kam, dass er in sei­nem Foto­stu­dio in der Küder­li­stra­ße mit einem aus­ge­lie­he­nen Luft­ge­wehr zugan­ge war. Natür­lich habe er erst abge­checkt, ob die­ses Shoo­ting erlaubt sei, sagt der 51-Jäh­ri­ge und grinst ver­schmitzt. Das war es, und so hat er – wohl­ge­merkt im Stock­dun­keln – erst mit einer Taschen­lam­pe gezielt und danach scharf geschos­sen. Eini­ge Toma­ten, Gur­ken und Chi­li­scho­ten hat es gebraucht, bis Peter Oppen­län­der mit dem Ergeb­nis zufrie­den war.

„Wenn ich etwas mache, will ich es anstän­dig machen“, sagt Peter Oppen­län­der, und das glaubt man ihm spä­tes­tens dann, wenn er von der Ent­ste­hung sei­ner Fotos erzählt, zum Bei­spiel dem zur Mas­sen­tier­hal­tung. „Dafür habe ich mir von Bekann­ten auf der Ost­alb ein Päck­le mit Hüh­ner­kot plus Federn schi­cken las­sen.“

Mit dem Foto­gra­fie­ren hat Peter Oppen­län­der als 14-Jäh­ri­ger ange­fan­gen. Die ers­te Kame­ra hat er zur Kon­fir­ma­ti­on geschenkt bekom­men und zunächst das abge­lich­tet, was man als Tee­nie so foto­gra­fiert: Frei­zeit­ak­ti­vi­tä­ten, Freun­de, Rei­sen. „Bei uns in der Fami­lie war Foto­gra­fie­ren eigent­lich kein The­ma“, erzählt er – und das, obwohl sein Urgroß­va­ter Karl Oppen­län­der schon im 19. Jahr­hun­dert als Foto­graf in Waib­lin­gen tätig war und sei­nen Kun­den oben­drein einen Ein­rahm­ser­vice bot. Dar­aus ent­stand spä­ter die Fir­ma Opal, die Klein­mö­bel wie Ser­vier­wa­gen oder Couch­ti­sche pro­du­zier­te – Holz, Werk­zeu­ge und Maschi­nen für des­sen Ver­ar­bei­tung waren ja vor­han­den.

Ein Ver­wand­ter war es aber, der Oppen­län­der sehr geprägt hat. „Er war Foto­graf, im sozia­len Bereich tätig, und hat mir gezeigt, wie man einen Film ent­wi­ckelt und was ein schlech­tes Bild ist.“ Schon mit 15, 16 Jah­ren hat Oppen­län­der Sport­bil­der für Lokal­zei­tun­gen geknipst. Nach dem Abi zog es ihn nach Ber­lin an die Berufs­fach­schu­le für Design, wo er mit sei­nen Arbei­ten öfter von sich reden mach­te. Als er und die Kom­mi­li­to­nen etwa die in sei­nen Augen wenig span­nen­de Auf­ga­be beka­men, einen Sport­schuh in Schwarz­weiß abzu­lich­ten, hat Oppen­län­der ein Rönt­gen­bild des Schuhs abge­lie­fert.

„Ich wuss­te lan­ge nicht, wo das hin­geht und ob ich mich von der Foto­gra­fie ernäh­ren kann“, sagt er im Rück­blick. Inzwi­schen ist er mehr­mals zu einem der welt­weit bes­ten Foto­gra­fen der Wer­be­bran­che gekürt wor­den. Das Anders- und Quer­den­ken hat Peter Oppen­län­der bei­be­hal­ten – mal foto­gra­fiert er ein Essen von unten durch eine Glas­schei­be, mal setzt er einen schnö­den Kol­ben­ring wie teu­ren Schmuck in Sze­ne, mal wirbt er für einen Far­ben­her­stel­ler – in zar­ten Grau­tö­nen. „Ich bin für jede Schand­tat zu haben.“